Karlsruhe (dpa) - Wie eine Rocklegende sieht er nicht aus mit den beigefarbenen Stoffhosen und dem roten Poloshirt. Um die Körpermitte ist er etwas füllig geworden. Aber das ist Steve Katz bewusst. Der Mitbegründer der amerikanischen Band Blood Sweat & Tears übt sich auf der Bühne in Selbstironie:
«Das letzte Mal war ich vor 34 Kilogramm, ähm, Jahren hier», begrüßt er sein Publikum im Karlsruher Kulturzentrum «Tollhaus». Etwa 1300 Menschen sind am Dienstagabend gekommen, um sich beim «Zeltival» mit der Jazzrockband aus den 60er Jahren noch einmal jung zu fühlen.
Das Durchschnittsalter der Fans liegt bei Mitte 50, viele tragen T-Shirts der Band. Steve Katz ist der Einzige, der von der ursprünglichen Besetzung noch dabei ist. 1968 holte ihn Bandgründer Al Kooper an Bord. Seit damals hat sich die Gruppe immer wieder erneuert, insgesamt haben über die Jahre rund 130 Mitglieder die Band bereichert und wieder verlassen. Nach Umwegen stieß Katz 2008 wieder dazu und tourt seitdem mit Blood Sweat & Tears durch die Welt.
Thomas Kühn aus Karlsruhe kennt die Anfänge. Er war mit dabei, als die Band in Woodstock auftrat. Am lebendigsten ist ihm die begrenzten Zahl von Toiletten in Erinnerung geblieben: «Wir machten uns einfach in die Hose, wollten nichts verpassen», sagt der 59-Jährige und lacht. Für ihn gehörte Blood Sweat & Tears damals eher zu den unpolitischen Gruppen. Dennoch, als die Jazzrockband auftrat, trug auch sie zum «Gesamtaufruhr» bei, wie Kühne sagt, zu der «kochenden Masse, die mit Woodstock ein Ventil gefunden hatte, für all den Frust über das Establishment».
Auf der Bühne füllt Steve Katz die Pause zwischen zwei Liedern mit Anekdoten: Seine Eltern hätten damals aufgehört, mit ihm zu sprechen, als er ankündigte, er wolle Musiker werden. Das hätte sich dann aber mit den ersten Nummer-Eins-Hits von alleine erledigt, sagt lachend in seinem breitem Amerikanisch.
Er zählt die Albumcharts von 1970 auf: Auf dem zehnten Platz waren The Jackson Five, auf dem sechsten Paul McCartney, auf dem vierten das Beatles-Album «Let it be» - «Von wem war das nochmal?», fragt er das Publikum. Dann spielen die neun Musiker eine Single ihres damaligen Nummer-Eins-Albums «Hi-de-ho», die Menge singt, tanzt und grölt mit.
Klaus Karl Moritz ist ganz vorne mit dabei, er steht direkt vor der Bühne neben dem Lautsprecher. Blood Sweat & Tears spielen gerade einen ihrer größten Hits: «Spinning Wheel». Alles kommt zum Einsatz, Saxofon, Trompete, Posaune. Das Publikum klatscht im Takt, wippt mit den Knien. Klaus trägt ein schwarzes Rocker-T-Shirt, auf dem steht «Drei Tage Frieden und Musik». Der 60-jährige Karlsruher gehört zu den eingeschworenen Fans, dreimal hat er die Band schon gesehen. Auf die Frage, was ihn an Blood Sweat & Tears begeistert, reagiert er irritiert: «Was wird einem da wohl gefallen? Der Rhythmus natürlich.»
Draußen im Biergarten ist die Luft lau, die Musik weiter weg, ein gedämpftes Wirrwar. So wie Elisabeth Striteskys Erinnerungen an ihre Jugend. Die 57-Jährige sitzt alleine auf einer Mauer, in der Hand ein Glas Weißwein, ihre Freunde tanzen drinnen. Sie selbst habe die Zeit damals ein bisschen verträumt, gesteht sie, den Blick in die Ferne gerichtet. Jetzt sei sie hier wegen Stimmung und Musik. «And when I die» gefalle ihr besonders gut. Das Lied beginnt gerade, die ersten Mundharmonikatöne erklingen. «Ja, ein bisschen Gruppenzwang und ein bisschen Nostalgie haben mich heute Abend hergebracht», sagt Stritesky und lächelt.
© sueddeutsche.de - erschienen am 28.07.2010 um 14:27 Uhr
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen